Kunststoffe bereiteten nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg in ein Zeitalter des vermeintlich grenzenlosen Konsums. Massenhaft, preisgünstig und in beinahe beliebiger Farb- und Formgebung herstellbar, beflügelten sie Produktdesign und Industrieproduktion. Trieb in der westlichen Welt die Privatwirtschaft ihre Verbreitung voran, so war dies in den Ländern des Staatssozialismus die Politik. Es herrschte weltweit ein nicht mehr aufzuhaltender Boom der zukunftsversprechenden synthetischen Werkstoffe.

Nach der Maxime „Chemie gibt Brot, Wohlstand und Schönheit“ stellte die DDR um 1960 die Weichen für „Plaste und Elaste“ im Alltag. Doch trotz hoher Investitionen fiel es ihr schwer, mit westlichen Innovationen Schritt zu halten. Mitte des Jahrzehnts erschien Polyurethan am Horizont, marktreif gemacht vom westdeutschen Bayer-Konzern. Es drang in neue Anwendungsbereiche wie den Möbelbau vor. Spektakulär demonstrierte dies der aus einem Guss gefertigte „Panton-Chair“. Ebenso feierten bundesdeutsche Gestalter wie Ernst Moeckl und Peter Ghyczy mit fließenden Formen und intensiven Farben das von Konventionen befreite Lebensgefühl des POP-Zeitalters.

Begeistert von den Möglichkeiten, massenhaft Möbel aus Kunststoff statt aus Holz produzieren zu können, kaufte die DDR Anfang der 1970er Jahre in der Bundesrepublik Maschinen und Designs zur Herstellung von PUR-Möbeln. Bald produzierte sie mehr Kunststoffmöbel aus Polyurethan als jedes andere Land auf der Welt. Diese wurden als Zeichen des sozialistischen Fortschritts inszeniert, ohne die westdeutschen Ursprünge zu benennen. Daneben entstanden an Hochschulen und in Betrieben kreative Eigenentwürfe von ostdeutschen Formgestaltern für Möbel aus PUR, die teils aber keine Umsetzung fanden.

Die Ausstellung betrachtet die PUR-Möbelherstellung bis in die frühen 1980er Jahre und zeigt neben Fotos, Werbung und Filmauszügen zahlreiche ikonische und bislang wenig bekannte Möbelbeispiele – entworfen in der Bundesrepublik und der DDR. Sie blickt auf designhistorische und wirtschaftspolitische Aspekte und fragt nach dem künftigen Umgang mit dem schwer recycelbaren Material Polyurethan.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunstgewerbemuseum Dresden, Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und wurde gefördert durch die Bundesstiftung Aufarbeitung und BASF Schwarzheide GmbH. Das Museum Utopie und Alltag ist eine Einrichtung des Landkreises Oder-Spree und wird gefördert durch das Land Brandenburg.

Begleitprogramm

Sonntag, 1.9.2024, 13 Uhr Kuratorenführung

Samstag, 7.9.2024, 14 Uhr Programmieren leicht gemacht!
Digitaler Bastel-Workshop für die ganze (Wahl-)Familie, ab 8 Jahre – Wir bringen Kunststoffmöbel zum sprechen mit Makey Makey

Sonntag, 6.10.2024,
13 Uhr Kurator:innenführung mit Klára Němečková, Kunstgewerbemuseum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Axel Drieschner, Museum Utopie und Alltag
15 Uhr Podiumsgespräch – Konsumgüter aus Industriekombinaten der DDR; mit Horst Donth, ehem. Hauptabteilungsleiter Konsumgüterproduktion im PCK Schwedt, und Prof. Dr. Dr. Karl Döring, ehem. Generaldirektor des VEB Bandstahlkombinat Eisenhüttenstadt

Samstag, 19.10.2024, 18 Uhr Lange Nacht der Restaurierung
Nicht von Dauer? Kulturgüter aus Kunststoff; Tina Petráš, Studio für Restaurierung, Berlin
20 Uhr Kuratorenführung

Sonntag, 3.11.24, 13 Uhr Kuratorenführung
15 Uhr Vortrag von Sebastian Voigt, Design+Robotics, Potsdam – Entwurf und Fertigung von Kunststoffprodukten. Probleme und Perspektiven

Sonntag, 2.2.2025, 13 Uhr Tandemführung
mit Dr. Daniel Böhme, Unternehmensarchiv BASF Schwarzheide GmbH und Axel Drieschner, Kurator am Museum Utopie und Alltag

Sonntag, 30.3.2025 Finissage
12 Uhr Kuratorenführung
13–16 Uhr Mitmach-Workshop für Groß und Klein – Gestalten mit Recycling-Kunststoff, Kunststoffschmiede des Konglomerat e.V. Dresden

Den Flyer zur Ausstellung finden Sie hier.

 

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